Mittwoch, 5. September 2012

Tschüss Tacheles, Berlin hat dich nicht verdient.

Tacheles (- 2012)

[Tränenpalast - 2008]
Berlins Bemühungen, seine raren, unverwechselbaren Monumente gegen stromlinienförmige, gesichtslose Rendite-Objekte einzutauschen, waren einmal mehr erfolgreich. Nach dem Tränenpalast, der einem 20-stöckigen Ausbund von Scheußlichkeit weichen musste, dem weggekickten Palast der Republik, für den wir eine Schlossattrappe im Alexa-Stil bekommen, dem schnuckeligen Flughafen Tempelhof, den wir gegen die Mutter aller Luftblasen eintauschten, nun also das Tacheles, welches für Neu-Berliner und Besucher nach der Wende das erste Ah- und Oh-Ding überhaupt war und selbst die kannten, die die Oranienburger Straße stets mit der Oranienstraße verwechselten.
Nicht mehr Ironie zu nennen ist allerdings, dass die HSH Bank Betreiberin der nunmehrigen Zwangsräumung des Kulturhauses war. Die Bank also, die durch Falschbilanzierung, Missmanagement und hochspekulative Kapitalmarktzockerei so in Schieflage geriet, dass sie vom Steuerzahler gerettet und verstaatlicht werden musste. Was sie allerdings nicht hinderte, einer verantwortlichen Obernulpe wie Dirk Nonnenmacher noch Millionen-Boni hinterher zu werfen. Wer dies mit einem Achselzucken abtut, kann sich die Fakten zum Spreedreieck ansehen und feststellen, dass auch da ein zeitgeschichtlicher Ort geplättet wurde, um niemand Schlimmeren als den selbstgefälligen "Wirtschaftsberatern" von Ernst&Young als Heimstatt zu dienen. Ernst&Young, die mit Lehman Brothers solange gemeinsame Sache machten, bis letztere in die Grätsche gingen, dürfen jetzt die halbe Berliner Friedrichstraße förmlich in den Schatten stellen. So wird es Zeit, Berlins Leitmotiv des "arm, aber sexy" den traurigen Realitäten anzupassen: "Berlin - nicht mehr ganz arm, aber jederzeit käuflich." 
[Oranienburger Straße 2013]

[Friedrichstraße 2012]


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