Mittwoch, 21. September 2011

Kleine Presseschau: Urteil gegen Torben P.


Der 19-jährige Torben P.  der im April auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße einen anderen Mann , der gerade auf dem Heimweg vom Dart-Spielen mit Freunden, verprügelt und bis zur Bewusstlosigkeit getreten ist vorgestern vom Berliner Landgericht zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Bilder der Überwachungskamera, die zur Täterermittlung veröffentlicht wurden, zeigten wie der Täter dem am Boden liegenden Opfer mehrfach heftig auf den Kopf tritt.
Soweit, so schrecklich. Außer vielleicht für Lorenz Maroldt, der im Berliner Tagesspiegel unter dem Titel „Aus einem Monster wurde ein Mensch“ dem Leser einen Menschen schildert, der „wegen der zuweilen schwierigen Lebensumstände in jungen Jahren eine schwere Straftat begangen hat. Der Prozess hat hier keine Erhellung gebracht, was dem Fall neben seiner Dramatik und Tragik auch etwas Unheimliches gibt: Was letztlich dazu führte, dass Torben P. einen ihm unbekannten Mann fast zu Tode trat, bleibt ein Rätsel – es ist nicht das einzige... Warum veröffentlichte die Polizei ausgerechnet diese Bilder, und warum verschwieg die Staatsanwaltschaft, dass es auch andere Szenen gab? Dabei lagen Bilder einer anderen Überwachungskamera vor, die zur Fahndung besser geeignet gewesen wären; ein ähnlich großes Entsetzen wie die veröffentlichten Tatsequenzen, auf dem der Täter wie von Sinnen auf sein wehrloses, ohnmächtiges Opfer tritt, hätten sie wohl nicht ausgelöst.“ Scharf analysiert, Herr Maroldt, warum zeigte man nicht die Bilder von Torben als Erstklässler mit der Schultüte? Warum beurteilt man nur die Tritte auf den Kopf des am Boden liegenden und berücksichtigt nicht, dass Torben zuvor seinen Müll korrekt getrennt hat? Warum kann es sein, dass Torben nach dem Urteil nach Hause gehen und seine Strafe im offenen Vollzug absitzen darf? Warum bekommt er von einem katholischen Berliner Gymnasium Einzelunterricht spendiert? Ach so, weil er eine positive Sozialprognose hat. Weil er Deutscher, weiß und Wessi ist und bei seinen bürgerlichen, frühverrenteten, zuvor im Öffentlichen Dienst alimentierten Eltern wohnt. Das muss natürlich vom Gericht honoriert werden, während es einen Ronny oder Silvio aus Marzahn oder einen Goldkettchen tragenden Hakan oder Murat in den Knast für schwere Jungs setzt. Damit die ohnehin beschissene Sozialprognose aber auch garantiert eintritt.

 
Der Tatort aus der Perspektive einer Überwachungskamera

 
Der Tatort aus der Perspektive von Lorenz Maroldt (Tagesspiegel)

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